Kleines ABC:  Migration & Mehrsprachigkeit

 

▶ Kurdisch

 

Kurdisch gehört zu den iranischen (→ Farsi) und damit zu den indoeuropäischen Sprachen. Kurdisch ist in der Türkei, im Nordirak, im Iran und im Norden Syriens verbreitet und hat (geschätzt) ca. 14 Millionen Sprecher (Erstsprache)(Haarmann 2002:233). In Deutschland ist Kurdisch nicht selten eine Erst-Sprache der Migranten-Gruppen. Im Irak ist Kurdisch heute zweite Amtssprache.

In der Türkei wird vor allem Nordkurdisch (Kurmancî/Kurmandschi) gesprochen. Dort wurde Kurmandschi lange aus der Öffentlichkeit verbannt, heute darf aber kurdisch publiziert und Kurdisch (privat) unterrichtet werden. Gegenwärtig sind die Verhältnisse in diesem Land stark im Fluss.

Die Differenz zum Türkischen ist bereits an der Existenz eines Genus (Maskulinum - Femininum) sichtbar. Kurmandschi hat 3 Kasus: den Absolutiv (ungefähr unserem Nominativ entsprechend), den Objektkasus und den Vokativ. Die Kasusendungen sind genusdifferenziert im Singular, nicht im Plural. Von beinahe allen indoeuropäischen Sprachen unterscheidet sich Kurmandschi durch seine Ergativkonstruktionen (das Agens ('handelnde Person') steht in transitiven Konstruktionen nicht im Grundkasus (Absolutiv), sondern im Objektkasus/Ergativ, das Objekt im Absolutiv; in intransitiven Sätzen steht das Agens im Absolutiv).

(1) Min (Objektkasus/Ergativ) tu (Grundkasus/Absolutiv) dîtî. 'ich dich sah'
(2) Ez (Grundkasus/Absolutiv) hatim. 'Ich kam'.

Kurmandschi hat 23 Konsonanten, 3 kurze und 5 lange Vokale. Es wird lateinisch und vergleichsweise lauttreu geschrieben. Kurmandschi hat ein Zwei-Kasus-System. Das Personalpronomen der 3. Person (Anapher) hat nur im Objektskasus eine maskuline () und eine feminine () Form.
Zentralkurdisch und Südkurdisch verfügen über ein Definitheitssuffix, im Kurmandschi gilt ein Substantiv als bestimmt, solange nicht das Unbestimmtheitssuffix -ek oder -in auftritt: hesp 'das Pferd', hep-eh 'ein Pferd'. Attribute folgen in der Regel dem Substantiv. Dass attribuiert wird, kann am Substantiv durch ein Suffix markiert werden: hesp-ê spî 'das weiße Pferd. Es gibt Izafet-Konstruktionen (Nebeneinanderstellung von Kopfausdruck und Attributausdruck) ) wie Mala min 'mein Haus', für die im Singular auch maskuline und feminine Formen bestehen. Kurmandschi hat Präpositionen und Zirkumpositionen.

Das Kurdische gehört zu den Sprachen, die dringend weiterer Erschließung und Forschung bedürfen.

Literatur:
Aria Adli (2014) Das Persische und das Kurdische. In: M. Krifka et al. (Hg.)(2014) Das mehrsprachige Klassenzimmer. Über die Muttersprachen unserer Schüler. Heidelberg: Springer VS, 175-195
Emir Djeladet Bedir Khan/Roger Lescot (1986) Kurdische Grammatik Kurmanci-Dialekt. Bonn Verlag für Kultur und Wissenschaft
Harald Haarman (2002/2) Kleines Lexikon der Sprachen. München: Beck
Ferdinand Justi (1880/2006) Kurdische Grammatik. Adamant Media Corporation
Ernst Kausen, Die Zaza-Sprache (doc)
Paul Ludwig (1999) Zazaki. Wiesbaden: Reichert
David Neil MacKenzie (1961) Kurdish dialect studies. Oxford: University Press
Feryad Fazil Omar (2005/2) Kurdisch-Deutsches Wörterbuch. Berlin: Institut für Kurdische Studien
Petra Wurzel (1997) Rojbaş Einführung in die kurdische Sprache. Wiesbaden: Reichert

Kurdisches Institut Paris