Universität Dortmund
Kulturwissenschaftliches Institut Essen


Interdisziplinäre Forschungsgruppe "Was ist der Mensch?"


Kultur,

Sprache,

Natur


Die Forschungsgruppe
In Krisenzeiten wie in Zeiten wissenschaftlicher Umwälzungen kommt die Frage auf, was denn der Mensch eigentlich ist:
- ob er sich durch Geist, Sprache, Kultur oder natürliche Eigenschaften von seiner Umwelt abhebt
- welche Möglichkeiten er hat, seine Welt zu gestalten
- wie sich die Zukunft des Menschen bestimmen lässt.
Die klassischen Antworten begegnen aktuell ganz neuen Bildern vom Menschen, die durch die Natur- und Biowissenschaften geprägt sind. Der Mensch erscheint als Produkt seiner Biologie, sein Handeln wird durch seine Gehirnstruktur bestimmt, der Spracherwerb folgt einem genetisch verankerten Programm. Die Forschungsgruppe möchte in der Vermittlung zwischen verschiedenen Disziplinen zu einer neuen Sichtweise kommen. Sie setzt an bei den wechselseitigen Beziehungen zwischen Kultur, Sprache und Natur. Sprache und sprachliche Verständigung in ihrer biologischen und zugleich kulturellen Bedingtheit bilden ein wichtiges Feld der Untersuchung, ein anderes die Klärung des Verhältnisses von Determiniertheit und Formbarkeit des Menschen. Nicht minder wichtig ist der Zusammenhang zwischen Vererbung im biologischen und Tradierung im kulturellen Sinn, der in einem dritten Projektbereich untersucht wird. Die Verbindung dieser drei Untersuchungsrichtungen kann einseitige Perspektiven und Deutungsmonopole überwinden und erlaubt einen neuen Blick auf den Menschen, zu dessen Natur die Kultur gehört, dessen biologische Entwicklung mit seiner Kultur verschränkt ist und dessen Zukunft durch biologisches Erbe wie durch kulturelle Überlieferung bestimmt wird.

Kulturwissenschaftliches Institut (Hg.) Jahrbuch 2002/2003. Essen
Kulturwissenschaftliches Institut (Hg.) Jahrbuch 2003. Bielefeld: transcript

Projektbereiche

1. Menschliche Verständigungsfähigkeit: Universelle und ontogenetische Aspekte (Prof. Hoffmann, Prof. Quasthoff, Dr. Röska-Hardy (alle Univ. Dortmund))
Ziel ist es, funktionale Universalien der menschlichen Verständigungsfähigkeit im Medium der Sprache herauszuarbeiten und auf natürliche wie kulturell-gesellschaftliche Fundamente zu beziehen. Verständigung zielt auf einen umfassenden Sprachbegriff, der Sprache als Medium des Denkens wie auch das sprachliche Wechselgespräch - beides in der Humboldtschen Sprachphilosophie angelegt - einbezieht. Eine subjektisolierende oder Sprache allein biologisch-genetisch fundierender Betrachtung wie in cartesianischen Traditionen ist damit ausgeschlossen. Untersucht werden auch das Verhältnis von sprachlicher und musikalischer Entwicklung, der Aufbau von Kohärenz und die ersten Begrüßungsformen in Dialogen aus dem frühen Spracherwerb.
Literatur zur Biolinguistik

2. Determinismus und Plastizität (Prof. Kastner (Univ. Dortmund), Prof. Kettner (Univ. Witten-Herdecke), Dr. Neumann-Held (Univ. Dortmund))
Ziel des Projekts ist eine Einschätzung von Bestimmtheit und Formbarkeit des Menschen. Zu prüfen ist u.a., ob der aktuelle neurobiologische Determinismus (der Mensch wird von neuronalen Impulsen gesteuert, es gibt kein Entscheidungszentrum in seinem Inneren) trägt und wieweit deterministische und plastische Beschreibungen/Erklärungen von Selbst-Eigenschaften in ein aufgeklärtes Menschenbild eingegliedert werden können. Die empirischen Untersuchungen werden sich u.a. auf Bedingungen und Veränderbarkeit der Stressverarbeitung beziehen.
Zum Einstieg
: C. Geyer (Hg.)(2004) Hirnforschung und Willensfreiheit. Frankfurt: Suhrkamp
Manifest der Hirnforscher


3. Bio-Soziale Vererbung (Dr. Neumann-Held (Univ. Dortmund), Prof. Welzer (Univ. Witten-Herdecke))
Das Projekt bio-soziale Vererbung geht von neueren entwicklungsbiologischen und –psychologischen sowie gedächtnistheoretischen Ansätzen aus, die in entwicklungsbezogener Perspektive die herkömmlichen Entgegensetzungen von Individuum und Sozialität einerseits und Natur und Kultur andererseits vermeiden. Vor dem Hintergrund der Formulierung einer integrativen Theorie der bio-sozialen Vererbung sollen Forschungsdesigns entwickelt werden, die erfolgversprechende Wege der Operationalisierung von Forschungsdesigns im Bereich der Bio-Sozio-Genese des Menschen weisen.

In die Forschung der Projektbereiche ist ein Promotionskolleg eingebunden, so dass Promotionsprojekte in einem ressourcenreichen Umfeld verfolgt werden können und die DoktorandInnen an aktueller, interdisziplinärer Forschung unmittelbar teilhaben und diese mitgestalten können.

Assoziierte Projekte
1. Natur und Kultur aus wissenschaftstheoretischer Sicht: Grenzen des Naturalismus: Prof. Falkenburg (Dortmund)
2. In welcher Weise nehmen Neurobiologie und Hirnforschung Einfluss auf das Menschenbild? Was erklären sie und was können sie nicht erklären? Prof. an der Heiden (Witten-Herdecke)
3. Forschungsgruppe Erinnerung und Gedächtnis - Interdisziplinäre Gedächtnisforschung am KWI, Essen: Prof. Markowitsch (Bielefeld) und Prof. Welzer (Essen/Witten-Herdecke)

Einstiegspräsentation der Forschungsgruppe und Folie (pdf)
Programm der 1. Wissenschaftlichen Konferenz Essen, 6.+7. Dezember 2004
Veranstaltungen 2005
Programm der 2. Wissenschaftlichen Konferenz Essen, 5.+6. Dezember 2005
Workshop: Präverbale Kommunikation, 12.+13. Dezember 2005

>>Weitere Informationen auf der Homepage der Gruppe