Brauchen wir türkische Schulen?


In der taz vom 12.2. wiederholt der Soziologe Hartmut Esser seine These, "muttersprachliche Kompetenzen [seien] nicht nötig, um eine Zweitsprache gut zu lernen." In dieser Überspitzung wird das auch nicht behauptet. Ausgebaute Zweisprachigkeit wirkt sich aber erwiesenermaßen positiv auf die intellektuelle Entwicklung aus. Es ist nützlich, die „Weltzugänge“ unterschiedlicher Sprachen kennen zu lernen und sich in ihren kommunikativen Netzen bewegen zu können.
Zweisprachigkeit ist keineswegs gleich Zweisprachigkeit. Wird Deutsch als Zweitsprache oder zweite Erstsprache sehr früh erworben, gibt es meist keine Probleme. Wird es spät (Schulalter) erworben, kann es schwieriger werden, die Systeme getrennt zu halten. Erstsprachliche Einflüsse schlagen dann stärker durch (besonders im Lautsystem), vor allem aber ist das Sprachwissen von der Erstsprache geprägt und es können deutsche Sätze unter ihrem Einfluss aufgebaut werden. Es ist förderlich, wenn der Erwerb der Erstsprache nicht stecken bleibt, sondern zu einer hinreichenden Kompetenz führt, gerade auch im Schreiben. Kinder wissen dann schon, wie eine Sprache funktioniert, wenn sie weitere (Fremdsprachen) erwerben. Sie bekommen auch die für das Verständnis der Grammatik der Erstsprache nötige Distanz.
Die US-Studien, auf die Essers These sich bezieht, untersuchen schulisch wie didaktisch sehr andere Verhältnisse. Wird die Zweitsprache in der Schule nicht intensiv genug unterrichtet, kann sie natürlich weniger gut erworben werden. Paralleler Erwerb von zwei Sprachen ist keine Überforderung. Sinnvoll sind: Frühe Förderung der Zweitsprachigkeit (sie ist hoch produktiv), zweisprachige Alphabetisierung, guter muttersprachlicher Unterricht, parallel zu gutem Unterricht Deutsch als Zweitsprache.

Und: Warum sollten nicht auch Deutschsprachige vermehrt Türkisch lernen? Mindestens könnten sie türkische Namen korrekt aussprechen.